Zunächst einmal eine Quizfrage:
Was besteht aus Kaolin (dem Zersetzungsprodukt feldspathaltiger Minerale mit Aluminiumsilikat), Feldspat und Quarz? Es ist in jedem Haushalt zu finden und Sie benutzen es täglich! Es ist nicht Ihre moderne Quarzuhr, sondern (meistens) Ihre Kaffeetasse. Diese ist bestimmt aus Porzellan und das wiederum hat etwas mit unserer Stadt Schleiz zu tun:
Am 4. Februar des Jahres 1682 wurde dem Münzwardein in der gräflichen Münze zu Schleiz, Herrn Johann Adam Böttger, ein Söhnlein geboren, welches am 5 Februar 1682 in der Stadtkirche auf den Namen Johann Friedrich getauft wurde. Bedeutende Vertreter des Bürgertums, so auch die Gastwirtsfamilie Engelschall, standen dem Kleinen Pate. Der Vater des Johann Friedrich wohnte wahrscheinlich im Gasthof der Engelschalls. Der "Blaue Engel" war damals das "erste Haus am Platze". Heute befindet sich dort die Filiale Schleiz der Commerzbank am Neumarkt. Da die gräfliche Münze ihren Betrieb bei der Geburt des Kindes bereits eingestellt hatte, zogen die Eltern 1683 nach Magdeburg. Dort verstarb der Vater des kleinen Johann Friedrich sehr bald. 1696 trat der Johann Friedrich Böttger seine Lehre bei den Berliner Apotheker Zorn an. Hier fand er seine große Berufung: die Chemie, die damals noch nicht so eindeutig von der Alchemie zu trennen war.
1701 trat der junge Adept jedenfalls als "Goldmacher" in Erscheinung. Eine damals recht spektakuläre, jedoch nicht ganz ungefährliche Profession, deren Laufbahn bisweilen an einem mit Goldflitter ausstaffiertem Galgen endete.
Böttger kann man jedoch getrost unterstellen, dass er nicht zu den gewissenlosen Betrügern gehörte, sondern ehrlich bemüht war, durch seine Studien in die Geheimnisse der Natur einzudringen. Vor allem beschäftigte ihn das Problem, aus verschiedenen Substanzen durch Einwirkung von Hitze und Chemikalien neue, andere Substanzen herzustellen. Dass das Nahziel dieser Mühen darin bestand "unedles" in "edles" Metall zu verwandeln, ist unter den damaligen erkenntnistheoretischen Verhältnissen nur zu verständlich. Böttger war jedenfalls kein Stubengelehrter (wie damals üblich), sondern verband Theorie mit Praxis- eine Neuigkeit im 18. Jahrhundert.
Die Goldmacherei jedenfalls hatte zur Folge, dass sich der erst vor kurzer Zeit in diesen Rang aufgestiegene König von Preußen des Mannes für seine Bedürfnisse versichern wollte. Böttger entzog sich der drohenden Verwahrung durch Flucht nach Wittenberg. Doch auch hier fand er keine Ruhe vor dem Interesse der Mächtigen. August der Starke legte seine Hand auf ihn.
1703 scheiterte ein abermaliger Fluchtversuch nach Böhmen und Böttger musste sich in sein Schicksal als lebendiges Staatsgeheimnis fügen. 1705 jedenfalls laborierte er unter Verwahrung auf der Albrechtsburg zu Meißen auf Porzellan, dem Stoff, aus dem die Träume von Luxus dieser Zeit bestanden. Der Import dieses Luxusgutes aus China war langwierig, risikoreich und daher kostenintensiv. So mancher kunstbeflissene und repräsentationshungrige Herrscher ließ sich damals Einzelstücke ein Vermögen kosten. Es wurde im wahrsten Sinn des Wortes mit Gold aufgewogen.
1706 herrschte in Sachsen Krieg. Die Schweden waren in das reiche Land eingefallen und hatten es zu einem Großteil besetzt. Das Staatsgeheimnis Böttger wurde mit den Kronjuwelen gemeinsam auf der Festung Königstein verwahrt. 1707 ließ August der Starke den Alchimisten, dessen Mühen bis dahin noch ohne jedes Ergebnis geblieben waren, auf die Dresdener Jungfernbastei bringen und gab ihn gleichzeitig den guten Rat: „Thu mir zurecht Böttger, sonst laß ich Dich hängen...“.
Die Erkenntnisse in der Forschung des „Goldmachers“ waren jedenfalls soweit gediehen, dass der in der Lage war, im November 1707 dem ungeduldigen Landesherren braunes Porzellan zu präsentieren. Am 20. November desselben Jahres befahl dieser, eine Manufaktur zu gründen, in der "... unterschiedene, dem König allein bekannte Verrichtungen... " unternommen wurden. Um das Geheimnis zu wahren, wurde vom katholischen Herrscher verfügt, ausschließlich Protestanten dort einzustellen, um missliebigen Folgen der Ohrenbeichte vorzubeugen.
Am 15. Januar 1708 schließlich gelang erstmals der Brand von weißem Porzellan, dass die technischen, funktionellen und ästhetischen Anforderungen erfüllte. Am 23. Januar 1710 wurde schließlich die heute noch in aller Welt berühmte Meißner Porzellanmanufaktur gegründet. Sie füllte des Königs Tafel mit dem begehrten Porzellan und die Staatskasse mit Gold. Johann Friedrich Böttger jedoch war ein vom Tode gezeichneter Mann. Der Umgang mit zum Teil giftigen Substanzen, die Arbeit an den Brennöfen, die auf ungefähr 1400 Grad Celsius in ihrem Inneren gebracht werden mussten und der Drang, den Durst mit Wein zu löschen hatten seine Gesundheit auf das Schwerste untergraben. 1713 litt der Erfinder des Europäischen Porzellans bereits unter Kreislaufschwäche und Schwächung des Sehvermögens. 1716 verschlimmerte sich die Krankheit und am 13. März 1719 verstarb Johann Friedrich Böttger in Dresden. Das Gelingen der ersten Unterglasurmalerei auf seinem Porzellan in dem bekannten Kobaltblau (1717) erlebte er noch, doch erst 1720 wurde das erste mehrfarbig bemalte Porzellan in Meißen hergestellt. Mit Kunstverstand und kaufmännischem Geschick wurde diese Manufaktur zu einer Erfolgsgeschichte.
Am 10. August 1981 begannen die Sanierungsarbeiten an der „Alten Münze“ in Schleiz. Dort wurde 1982 zur Feier /50 Jahre Schleiz und des 300. Geburtstages von Johann Friedrich Böttger eine Gedenkstätte dieses bedeutenden Sohnes unserer Stadt eingerichtet und die Ortsgruppe Schleiz des Kulturbundes fand hier sein Domizil.
Ein Buch, das seinen Siegeszug im gesamten deutschsprachigen Raum antrat und noch heute ein Begriff für den korrekten Umgang mit unserer Schriftsprache ist, wurde in Schleiz geboren. Der „Duden“. Wenn man ihn zur Hand nimmt um wieder einmal nachzuschlagen, kommt es einem oftmals nicht in den Sinn, dass dieses Buch nach seinem Verfasser benannt ist, der in Schleiz zu seinem Reformwerk inspiriert wurde:
Am 3. Januar des Jahres 1829 wurde in Boßigt bei Wesel Konrad Duden geboren. Er besuchte das Gymnasium in Wesel, promovierte in Marburg und entschied sich für die Lehrerlaufbahn. Zunächst nahm er eine Erzieherstelle in Genua an und arbeitete dann in Soest als erster Oberlehrer und Prorektor. 1869 wurde die Stelle eines Rektors am altehrwürdigen, bereits 1656 gegründeten Fürstlich Reußischen Gymnasium in Schleiz ausgeschrieben, das vom neuen Rektor auf den modernsten Stand der Erziehungswissenschaften gebracht werden sollte. Dr. Konrad Duden bewarb sich und wurde angenommen. Am 19. April 1869 trat er sein Amt in Schleiz an. Die Bildung lag den Reußen schon seit langer Zeit am Herzen. Andere Fürstenhäuser hielten sich große Armeen oder umgaben sich mit spektakulären Kunstsammlungen, Theatern oder Prachtbauten. Das gab das kleine doch recht effektiv regierte Fürstentum wirtschaftlich nicht her und so lautete die Devise hier: „Der Reuße schmückt Kirchen und Schulen, die wahren Gaben des Himmels. Alles andere ist Schatten, Rauch, ein Nichts“.
Die Schleizer Rektorenstelle war zwar gewiss nicht so hoch dotiert wie in größeren Ländern und Städten doch hier gab es sehr gute Möglichkeiten, sich als Rektor bei der Reform der Lehrpläne zu bewähren. Schleiz lag und liegt jedoch in einem Einzugsgebiet, welches durch das Aufeinandertreffen und die Durchmischung mehrerer Sprachräume gekennzeichnet ist. Das Sächsische, Thüringische und Fränkische beeinflusste die Ortschaften des Reußenlandes in unterschiedlichem Maße und so musste der Rektor, der aus einem mehr einheitlichen Sprachraum kam bemerken, dass seine Schüler die deutsche Sprache recht unterschiedlich benutzten- je nach dem, woher sie kamen.
Was richtig geschrieben war, entschied der Lehrer und der stand mit seiner Meinung hier gewiss oftmals allein vor der Klasse. In ein kleines Büchlein auf dem Pult notierte sich Dr. Duden interessante sprachliche Besonderheiten und kam im Laufe seiner Tätigkeit zu der Erkenntnis dass es ratsam sei, eine einheitliche und verbindliche Regelung in der Schreibung zu finden damit auch in kommenden Zeiten die Süddeutschen verstehen was die Norddeutschen schreiben und umgekehrt.
Die Durchsetzung dieser Erkenntnis fiel auf politisch und wirtschaftlich reifen Boden. Das Deutsche Reich war 1871 entstanden und auf dem Wege zu einer wirtschaftlich, politischen und kulturellen Macht in Europa. Obwohl es aus " Bundestaaten " mit einer relativen kultusministeriellen Eigenständigkeit bestand, war eine Angleichung der Bildungsinhalte eine logische Forderung der Zeit. Dr. Duden war ein sehr engagierter Pädagoge dessen Horizont nicht an der Schultür endete und so setzte er sich führend für die Reform der deutschen Schriftsprache ein. Nebenbei gründete er in Schleiz einen gut besuchten Bildungsverein und engagierte sich auch für die Errichtung der Freiwilligen Feuerwehr, zu deren Gründungsmitgliedern er gehörte.
Sein Hauptinteresse gehörte jedoch seiner Schule und seiner Muttersprache. Das Schleizer Gymnasium bekam einen ausgezeichneten Ruf und somit einen unwahrscheinlichen Zulauf von Schülern. 1872 erschien in Schleiz mit seiner Schrift " Die deutsche Rechtschreibung " die Geburtsurkunde des und heute bekannten "Duden ".
Trotz einiger Kämpfe gelang es Dr. Konrad Duden und seinen wissenschaftlichen Anhängern, die deutsche Schrift ein Regelwerk zu packen, das sich durchsetzen konnte. Es genügt eben nicht Gesetze nur zu entwickeln, sie müssen auch so sinnvoll, wohltuend und anwendbar sein, dass sie sich im Alltag durchsetzen.
Am 22.September 1876 nahm Dr. Konrad Duden zum Bedauern der Schleizer seinen Abschied von unserer Stadt und folgte dem Ruf an das Königliche Gymnasium in Bad Hersfeld. Als Rektor dieser Schule wurde er 1902 "Geheimer Regierungsrat". Nach seiner Emeritierung 1905 lebte er in Sonnenburg bei Wiesbaden. Dort vollendete sich das Leben dieses großen Pädagogen und Germanisten am 1. August 1911. Sein Andenken wurde an den Schleizer Schulen in der Folge ununterbrochen hoch gehalten und seine Person damit geehrt.
Dr. Konrad Duden und Schleiz
Hat man ein Problem im Bereich der Rechtschreibung, so greift man auch im Zeitalter der Computer öfters guten Mutes zum "Duden" um darin dessen Lösung zu finden. Der Begriff „Duden“ ist jedenfalls vielen Zeitgenossen durchaus noch geläufig. Was hat es aber mit der Verbindung Duden und Schleiz auf sich? An den Anfang der Betrachtung sei deshalb die These gestellt: Ohne den Aufenthalt Dudens in Schleiz wäre der „Duden“ in der uns heute bekannten Form vielleicht nie entstanden.
Biographischen Abriss
Betrachten wir uns aber zunächst den Lebensweg des "Vaters" des Dudens. Konrad Duden wurde an 03. Januar 1829 auf Gut Bossigt bei Wesel am Niederrhein geboren. Er besuchte Von 1837 bis 1846 das Gymnasium in Wesel und studierte Von 1846 bis 1848 in Bonn. Dann trat er Eine Stelle als Hauslehrer an und promovierte schließlich 1854 in Marburg. Eine Verwendung im Staatsdienst scheint sich nicht sofort gefunden zu haben und so trat er 1854 abermals einen Hauslehrerstellung bei einer Familie Gruber in Genua an. 1858 fand er eine Anstellung in Soest und brachte es hier bis zum stellvertretenden Rektor im Jahre 1869. Bereits 1861 hatte er Adeline Jacob geheiratet, die er in Genua kennen gelernt hatte. Aus dieser Ehe gingen von 1862 bis 1875 insgesamt 8 Kinder hervor. Diese Kinder wollten natürlich auch ernährt werden und der befähigte Pädagoge und Germanist sah sich nach einer Möglichkeit des Weiteren beruflichen Aufstiegs um.
1869 suchte man in Schleiz einen neuen, befähigten Rektor für das Gymnasium, der hier einige komplizierte Aufgaben zu lösen hatte. Das althergebrachte Bildungswesen im Fürstentum Reuß war in dieser alten Form nicht mehr zu halten und bedurfte um 1860 einer grundlegenden Reform. Der reußische Landtag zog aus Effektivitätsgründen daher die Auflösung des Schleizer Gymnasiums in Betracht. Die Schleizer Schüler sollten das Gymnasium zu Gera im "Unterland" besuchen, dem "Oberland" hingegen sollte die seminaristische Lehrerbildung in Schleiz bleiben.
Dieses Vorhaben stieß jedoch auf den Widerstand des Fürsten Heinrich des 62., Reuß Jüngerer Linie. Er sagte: "So lange ich lebe bleibt es beim Schleizer Gymnasium!" Doch allein mit Worten ist der Bestand einer Bildungseinrichtung nicht zu sichern. Dazu braucht es gute Konzepte, neue Lehrpläne und gute Lehrer, die interessierte Schüler anziehen und somit den wirtschaftlichen Bestand der Schule sichern. Die Dominanz des Altsprachenunterrichts musste aufgehoben werden und statt dessen Naturwissenschaften, Neusprachen, Sport und Zeichnen eingeführt werden. Nur so war eine praxisverwendungsfähige Bildung erreichbar, die einen guten Einstieg in das spätere Berufsleben sicherstellte und daher für die Schüler und ihre Eltern interessant war. Damals war Preußen in dieser Hinsicht das fortschrittlichste Land Deutschlands und so lag es auf der Hand, einen Rektor einzustellen, der mit dem preußischen System seine Erfahrungen hatte. Neben Klassen, die durch verstärkten Lateinunterricht zur Hochschulreife (Abitur) führten, wurden sogenannte Realklassen eingerichtet, die nach zehnjährigem Bildungsweg die Schüler auf kaufmännische und technische Berufe vorbereiteten.
Aus den Realschülern gingen spätere Fachschüler oder Fachhochschüler hervor, deren Berufsziele zum Beispiel der Ingenieur war. Eine Berufssparte, die in der Zeit der gewaltigen technischen Fortschritte mehr denn je gebraucht wurde. Viele Schüler bedeuteten viele Einnahmen für die Schule und somit war die wirtschaftliche Existenz der Schule gesichert. Allein von staatlichen und fürstlichen Zuschüssen hätte das Schleizer Gymnasium nie überleben können. Also sprach vorerst nichts gegen einen Reformversuch. Der Landesvater hatte seinen Willen und falls der Versuch scheiterte, konnte man ja das Gymnasium immer noch auflösen. Dr. Duden hatte die besten Voraussetzungen für diesen Posten. Er bewarb sich daher.
Das kleine Ländchen konnte zwar keine üppigen Gehälter zahlen, doch hier hatte man Aufstiegsmöglichkeiten, auf die man anderen Ortes noch sehr lange warten mußte. Zudem war die Aufgabe interessant und bot die Möglichkeit, sich in Schulkreisen einen Namen zu machen. Dem konnte ja später eine besser dotierte Rektorenstelle folgen. Die Bewerbung des Dr. Konrad Duden hatte Erfolg. Er wurde angenommen und begann seine Tätigkeit in Schleiz mit Elan und Engagement am 19. April 1869.
Seine Vorstellungen konnte er erfolgreich in die Praxis umsetzen und der erhoffte Zustrom von Schülern blieb nicht aus, nachdem sich das Schleizer Gymnasium einen guten Ruf erworben hatte. Besuchten 1868 noch 90 Schüler das Schleizer Gymnasium, waren es 1875 bereits 200 Schüler. Der Platz wurde knapp und es wurden Mittel und Möglichkeiten gesucht und gefunden, die Räumlichkeiten zu erweitern. Von einer Auflösung des Gymnasiums war natürlich keine Rede mehr. Für die Schleizer war die Schule nicht nur ein Imagefaktor, sondern hinter ihr standen handfeste wirtschaftliche Interessen. Die Schüler brauchten Unterkunft und Verpflegung: "Halten wir uns im nächsten Jahr ein Schwein oder nehmen wir einen Schüler?". Diese Frage ist zwar etwas überspitzt, jedoch nicht praxisfern in mancher Schleizer Familie so wirklich gestellt worden.
Dr. Dudens Wirken an der Schleizer Schule war für ihn und die Stadt eine Erfolgsgeschichte. Sein Gehalt war es weniger. Dr. Duden verdiente in Schleiz im Jahr 1140 Taler, ein Rektor in einer vergleichbaren sächsischen Schule hingegen 1800 Taler. Es war also mehr oder weniger eine Frage der Zeit, wann der befähigte Mann Schleiz den Rücken kehren würde. Am 22. September 1876 nahm Dr. Duden seinen Abschied von Schleiz und folgte einem Ruf nach Bad Hersfeld. Die Schüler ehrten ihren beliebten Rektor mit einem Fackelzug. Nach seiner langjährigen pädagogischen und wissenschaftlichen Tätigkeit wurde Dr. Duden 1905 pensioniert und übersiedelte nach Sonnenburg bei Wiesbaden. Dort verstarb er hochgeehrt am 01. August 1911.
Die Entstehung und der wahre Ursprung des Rechtschreibenachschlagewerkes Deutschlands:
Nach dem biographischen Abriss soll nunmehr die anfangs aufgestellte These erörtert werden: In seiner Hauslehrerzeit lernte der sprachwissenschaftlich sehr interessierte junge Dr. Duden in Italien eine einheitliche, sinnvolle Rechtschreibung kennen. Er selbst kam aus einem sprachlich eher homogenen Einzugsbereich. In Schleiz lernte er jedoch das Aufeinanderprallen verschiedener Dialektgruppen kennen: Sächsisch, Thüringisch und Fränkisch feierten fröhliche Urstände in der Ausdrucksweise seiner Schüler und er musste einsehen, dass es für manch banale Dinge des täglichen Lebens in den verschieden Ortschaften die verschiedensten Ausdrücke gab.
Auf die Frage, was es wohl zum Mittagessen gäbe, erhielt der Verfasser dieser Zeilen vor 20 Jahren die bodenständige westthüringische Antwort: "Hüts mit Soß" - und war so schlau wie vor der Fragestellung, da ihm der regionale Ausdruck "Hüts" für Klöße oder Knödel nicht bekannt war. Er hatte also ein echtes Kommunikationsproblem. Einem Norddeutschen wird House für Hase auch etwas befremdlich vorkommen. Fragt also ein Ostthüringer nach "Scharnieren für den Housenstall" so kann es geschehen, dass der dialektunkundige Verkäufer erstaunt feststellt: "Wir nähen dort eigentlich immer Knöpfe an!".
Mit derartigen Dingen kann man verschiedenartig umgehen: man kann sie ignorieren oder man kann sie analysieren. Letzteres entsprach der Wesensart des Dr. Duden. Er hatte auf seinem Katheder immer ein wohlgehütetes Büchlein liegen, in welches er während des Unterrichts fleißig Notizen eintrug. Seine Schüler vermuteten darin eher Vermerke zu ihrer Disziplin. Umso erstaunter waren sie, als Dr. Duden das ominöse Büchlein eines Tages doch einmal aus Versehen liegen ließ und sie darin Notizen zu ihrer Aussprache vorfanden.
Natürlich konnte es unter diesen Umständen auch keine einheitliche Rechtschreibung geben. Was Lehrer A als richtig gelten ließ, war bei Lehrer B falsch. Der Fakt, dass keine verbindlichen Rechtschreiberegeln im deutschen Sprachraum existierten, barg die Gefahr in sich, dass gewisse Texte mitunter in verschiedenen Regionen falsch oder gar nicht verstanden werden konnten. Durch die politische Vereinigung Deutschlands, durch die schrittweise Einführung einheitlicher Münzen, Maße und Gewichte in diesem neuentstandenen politischen und wirtschaftlichen Raum erkannte Dr. Konrad Duden und einige seiner wissenschaftlichen Anhänger die Notwendigkeit der Einführung einer einheitlichen Rechtschreibung. Noch in seiner Schleizer Zeit veröffentlichte Dr. Duden die ersten Arbeiten zur Vorbereitung dieses Zieles. In dem Jahresbericht des Gymnasiums 1871 veröffentlichte er seinen in Fachkreisen vielbeachteten Artikel "Zur deutschen Rechtschreibung". Das war die eigentliche Geburtsstunde des "Dudens".
Wäre er außerhalb von Schleiz auf diese Problematik aufmerksam geworden? „Bestimmt nicht in diesem Maße“ - könnte die doch etwas spekulative Antwort lauten! 1872 nahm Dr. Duden an der Dresdener Rechtschreibekonferenz teil und veröffentlichte im Verlag von B.G. Teubner "Die deutsche Rechtschreibung", den Schleizer Duden, im selben Jahr. Dass gerade der bekannte Gründervater des deutschen Nationalstaates Otto von Bismarck gar nichts von den Rechtschreibereformbestrebungen hielt und diese als Reichskanzler geflissentlich torpedierte, ist eine fast schon kuriose Seite der Geschichte.
Auch nach dem Weggang von Schleiz erwarb sich Dr. Konrad Duden große Verdienste auf dem Gebiet der Rechtschreibreform, so dass das daraus entstandene Werk bald mit seinem geistigen Vater namensgleich gestellt wurde und als "Duden" in den Sprachgebrauch einging. Sein Ziel bestand darin, die "rechte Schreibung" zum kulturellen Allgemeingut des deutschen Volkes werden zu lassen und diese keinesfalls auf die "höheren Lehranstalten" zu beschränken. Zu diesem Ziel streben wir also, mit mehr oder minderem Erfolg, seit über 100 Jahren.
Konrad Duden - privat
Wie war Dr. Duden als Mensch? Zu dieser Frage äußerten sich später einige Zeitgenossen, vor allem natürlich seine Schüler. Es überlieferten sich natürlich auch die entsprechenden "Histörchen", die seine Persönlichkeit beleuchten. Überzeugend wirkten jedenfalls auf alle Berichterstatter seine gepflegte Erscheinung und seine feinen Umgangsformen. Duden war durch und durch Diplomat. Er verstand es, die Individualität seiner Schüler zu behüten, verwahrte sich jedoch auch gegen die Herabsetzung der Autorität der Lehrerkollegen. Sein Leitsatz lautete:
In necceariis Unitas,
in dubiis Libertas,
in omnibus Caritas.
(Dort, wo es notwendig ist, Einigkeit; dort, wo es verschiedene Möglichkeiten gibt, Freiheit der Entscheidung; jedoch immer Wohlwollen und Fürsorge !)
Daher betrachtete Dr. Duden die Schule nicht als eine Erziehungsanstalt, sondern als eine Bildungseinrichtung. Die Erziehung des jungen Menschen geschieht überwiegend im Elternhaus, die Schule leistet hier nur einen relativ geringen Beitrag. Andererseits förderte Dr. Duden nach seinen Möglichkeiten die Allgemeinbildung. So gründete er in Schleiz 1871 einen "Allgemeinen Bildungsverein", der gewisse Ähnlichkeiten mit der späteren Volkshochschule aufwies. Duden hielt auf bewusste Disziplin. Er förderte das Turnen und unter seinem Rektorat nahmen schon 1869 Schüler und Lehrer gemeinsam an Turnerfahrten teil, die eine Kombination aus Fahrt, Wanderung, Besichtigungen und Sport und Spiel darstellten. Orte der näheren Umgebung wie Greiz oder Bad Steben waren Ziele dieser Fahrten. Auch war er ein maßgebliches Gründungsmitglied der Freiwilligen Feuerwehr Schleiz.
Gaststättenbesuche waren für die älteren Gymnasiasten erlaubt, aber streng geregelt: Mittwochs und samstags durften sie die "Eremitage" besuchen, sonntags die "Heinrichsruh" und das "Gräfenwarther Chausseehaus" und an einem weiteren Tag der Woche "Schmidt's Garten", den späteren Vereinsgarten. An einem heißen Sommertag war der Rektor auf dem Weg in seine "Stammkneipe". Damals übten die Bürger noch ihr zeitlich begrenztes Schankrecht aus, indem sie "Bier auf" hatten, das heißt selbstgebrautes Bier in ihrem Hause ausschenkten. Dort trafen sich allerhand durstige Seelen gern auf einen Schluck. Es muss also ein Tag gewesen sein, an dem für Gymnasiasten kein Kneipenbesuch erlaubt waren. Einige Schüler löschten jedoch illegal ihren Durst in einem der Häuser der Brunnengasse, das "Bier auf" hatte. Der damalige Hofgärtner begegnete also dem Herrn Rektor in der Brunnengasse und denunzierte die Schüler sofort: "Herr Direktor, gehen Sie zum "XXX", dort können Sie gleich das ganze Nest ausheben!“
Duden antwortete ihm gelassen: "Ich habe Durst und die haben Durst.", ließ den Denunzianten stehen und ging schnurstracks an besagtem Haus vorbei in sein Stammlokal. Saufen als Freizeitbeschäftigung, das damals bereits in Studentenkreisen beliebte Kommerstrinken und die damit verbundenen Ausschreitungen tolerierte Duden jedoch keinesfalls. Hier schritt er mit ganzer Autorität und harter Hand ein. Bekannt ist auch noch folgende Begebenheit, die sich im Kreise der Schleizer Honoratioren abgespielt haben soll. Bei einer fröhlichen Zusammenkunft stellte Duden den "besseren" Schleizer Bürgern folgende Aufgabe: "Ist es möglich einen Satz zu bilden, in dem sechs Mal hintereinander "die" vorkommt?". Nach einiger Überlegung wurde das verneint. Duden löste die Frage jedoch positiv mit folgender Kreation auf: "Die, die die, die die Die - triche erfunden haben verurteilen, tun unrecht."
Hinweis: Dies ist eine freie Geschichtsdarstellung aus Sicht des Verfassers, Ungenauigkeiten, Unrichtigkeiten mögen verziehen sein. Es liegt an jedem selbst, der Wahrheit letzten Schluss zu finden.
Schleiz liegt im Vogtland. Der Name Vogtland rührt von den Vögten her, die vom Kaiser die Verwaltung dieses Landes im ausgehenden Mittelalter übertragen bekamen und aus denen sich im Laufe der Geschichte die historische Landesherrschaft entwickelte. Da das Vogtland somit ein "politischer" Begriff war und sich nicht mit der geographisch- ethnologischen Ausdehnung der Herrschaft deckte, unterscheidet man das " Land der Vögte " in ein sächsisches-, thüringisches- und fränkisches Vogtland. Seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts herrschten die Vögte und Herren von Gera über dieses Land. Aus vorerwähntem Adelsgeschlecht entstammte das Grafen- und spätere Fürstenhaus Reuß, das bis zur Entsagung der Regierung am 10.November 1918 die Landesherrschaft bildete.
" Schleiz - Greiz - Lobenstein " wurde oftmals als treffendes Beispiel für die typische Deutsche Kleinstaaterei vor 1871 angeführt. Tatsächlich teilten die Reußen längere Zeit ihren Besitz unter den erbberechtigten Söhnen auf, so dass die einzelnen Herrschaftsteile immer kleiner und teilweise immer zerstreuter wurden. Dass damit die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit ständig abnahm, wurde ihnen jedoch schon im 16. Jahrhundert klar. So traf man Vorsorge, die weitere Zersplitterung der Besitzungen zu verhindern und im Falle des Aussterbens einer Herrschaftslinie, den Übergang an die nächststehende Linie zu sichern.
Im 19 Jahrhundert gab es schließlich nur noch die Fürsten Reuß Älterer Linie und die Fürsten Reuß Jüngerer Linie. Die Ältere Linie herrschte über Greiz und Burgk und die Jüngere Linie über Schleiz, Lobenstein, Saalburg und Gera. Schleiz spielte innerhalb der Jüngeren Linie Reuß stets eine entscheidende Rolle. Das Haus Schleiz der damaligen Grafen Reuß Jüngerer Linie überlebte alle anderen Häuser dieser Linie. Als die Landesherrschaft über Lobenstein und Gera ausstarb, erbten sie diese Ländereien und aus dem Stammhaus Schleiz entstand letztendlich der jetzt noch blühende Ast des Adelsgeschlechtes.
Die Herrschaften der Reußen waren nur mit begrenzten Einnahmemöglichkeiten gesegnet, so dass ein „Verschwender auf dem Thron“ ausgereicht hätte, das gesamte Land zu ruinieren. Prunkvolle Repräsentationsbauten verboten sich von selbst. Das Hofleben war sparsamst eingerichtet und ein gut funktionierendes Schulsystem und die kunstsinnige Ausschmückung einiger Gotteshäuser war eigentlich der einzige "Luxus", den sich die Reußen gemeinsam mit ihren Untertanen leisteten.
Der unbestreitbare Vorteil der "Kleinstaaterei" lag darin, dass der Landesherr mit seiner Familie unmittelbar mit seinen Landeskindern verbunden war. Der tägliche Kontakt war unvermeidbar und der Fürst war eine reale Person, die jeder kannte - keine fernab thronende und unerreichbare Gottheit. Daher konnte und musste man die Sorgen und Nöte der Untertanen aktiver zur Kenntnis nehmen. Natürlich gab es auch im Fürstenhaus Reuß vereinzelt recht eigenwillige Persönlichkeiten wie den Fürsten Heinrich den 72. Reuß Jüngerer Linie Ebersdorf, der sich die berühmt - berüchtigte Kurtisane Lola Montez als Mätresse hielt und der in der Regierung seines Ländchens keine glückliche Hand hatte. Die Ereignisse des Jahres 1848 zwangen ihn, seine Herrschaft niederzulegen, seine Mätresse brachte hingegen Bayern in Unruhe.
Die Prinzen der Reußen gingen in der Regel den typischen Berufen ihres Standes nach. Sie wurden Offiziere im Dienste befreundeter Monarchien. Die Reußen Älterer Linie zum Beispiel im österreichischen Heere. Von ihren Einkünften erwarben sie Güter in Schlesien und Niederösterreich, auf denen sie jedoch keine Landesherren wurden.
Einige Reußen widmeten sich der Pflege des evangelisch-lutherischen Glaubens und setzten hinsichtlich der Verbreitung von aktiver Nächstenliebe, gegenseitiger Unterstützung und Barmherzigkeit Meilensteine. Erinnert sei hier nur an die Herrenhuter Brüdergemeinde. Nachdem 1848 die Notwendigkeit der Einführung einer moderneren, effektiveren Landesverwaltung deutlich zu Tage trat, verlegten die Reußen Jüngerer Linie ihre Residenz von Schleiz nach dem wirtschaftlich stärker entwickelten Gera, dem nunmehrigen Sitz der Landesregierung.
Auch nach dem Ende der Monarchie leistete der damalige Reußische Prinz auf dem Gebiet der Kultur avantgardistische Arbeit, indem er das Geraer Theater zu einer vielbeachteten, modernen Bühne entwickelte. Der umstrittene und später von den Nationalsozialisten verfolgte Bildhauer Barlach entwarf zum Beispiel im wunderschönen Ebersdorfer Park das Grabmal der Fürstlichen Familie Reuß. Durch das Ende des Zweiten Weltkrieges und den Einmarsch der Roten Armee mussten die Reußen ihre Heimat verlassen. Sie blieben jedoch dieser Heimat und der Stadt Schleiz stets innerlich eng verbunden.
Im Jahre 1871 begann im heutigen Schleizer Ortsteil Möschlitz das Leben Alwin Bergers, eines Menschen, der erst in der Ferne botanischen Ruhm erlangen sollte. Aus einem bäuerlichen Elternhaus stammend war seine Pflanzenliebe schon früh zu erkennen. Berger selbst schätzte sich später als guten Schüler ein, dem das Lernen nicht viel Mühe bereitete. Des Sommers hielt er sich allerdings viel lieber in den Wiesen und Wäldern rund um seinen Heimatort auf, als an Schule zu denken. In ersten Herbarien sammelte er bereits zu dieser Zeit heimische Gewächse.
Fünf Jahre lang besuchte er auch das Schleizer Gymnasium, damals noch im „Rutheneum“ ansässig. Seinem dortigen Lieblingslehrer Hartenstein sollte er später sein erstes größeres Werk widmen. Nach dem Ende der Schulzeit zog Berger durch ganz Deutschland. Er begann eine Ausbildung im Fürstlichen Reussischen Hofgarten in Ebersdorf und arbeitete danach an verschiedenen botanischen Gärten, unter anderem in Dresden, Freiburg im Breisgau, Karlsruhe, Greifswald, Gießen und Frankfurt am Main. 1894 arbeitete er auch kurz bei der Handelsgärtnerei Hillebrand in Pallanza am Lago Maggiore. Diese Stelle verließ er aber rasch wieder, da es ihm nicht zusagte, Pflanzen zu Geld zu machen.
Im selben Jahr erreichte ihn ein Brief, der sein Leben grundlegend verändern sollte. Ihm wurde eine Stelle an der Küste Italiens, nahe der französischen Grenze angeboten. Der britische Kaufmann Sir Thomas Hanbury hatte dort bereits 1867 ein 18 Hektar umfassendes Gelände erworben und durch die Unterstützung seiner Kuratoren sowie seines Bruders zu einem botanischen Garten geformt, der zu einem der bedeutsamsten neben beispielsweise den Royal Botanical Gardens in Kew/London aufstieg. Schon zu Bergers Zeiten umfasste die Pflanzensammlung etwa 6000 Arten; seit 2006 gehört sie zum UNESCO-Weltkulturerbe.
1897 schließlich trat Berger den Dienst als Kurator in diesem Garten an. Rasch entwickelte er sich zur rechten Hand des Gartenbesitzers Hanbury. Er organisierte die Verwaltung des botanischen Gartens, den Samentausch verschiedenster Pflanzenarten mit anderen botanischen Institutionen in Amerika, Brasilien, Australien und Europa und hatte die Aufsicht über 46 Gärtner. In Ligurien lernte Berger auch seine spätere Frau Elise Keller kennen. Die beiden hatten zwei Kinder, Fritz und Verna Berger, und lebten unweit der Wirkungsstätte Bergers.
Die Hanbury Botanical Gardens galten als Attraktion an der norditalienischen Küste und so konnte Berger die Bekanntschaft mit einigen Persönlichkeiten der Zeit machen, darunter das Königshaus von Bulgarien und der deutsche Zoologe Ernst Haeckel. Aber auch in fachlicher Hinsicht boten ihm die Gärten wunderbare Voraussetzungen für seine wissenschaftliche Arbeit. Sein Spezialgebiet waren Kakteengewächse und andere sukkulente Pflanzen. Insgesamt beschrieb Berger über 100 Pflanzenarten, weitere wurden von befreundeten Fachkollegen nach ihm benannt.
Alwin Berger ist der Autor von insgesamt 13 Büchern und über 180 Zeitschriftenbeiträgen, unter anderem in der „Gartenwelt“, der „Monatsschrift für Kakteenkunde“ und „Gardener’s Chronicle“. Dabei habe er einem Kollegen zufolge mit dem Hintergedanken geschrieben, für Laien und Wissenschaftler gleich lesenswerte Abhandlungen zu verfassen. Ein großer Teil seiner Publikationen entstand in seinen italienischen Jahren.
Mit dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg 1915 waren diese produktiven und schöpferischen Jahre vorbei. Er kehrte mit seiner Familie nach Deutschland zurück und arbeitete im damals botanischen Hofgarten Wilhelma in Stuttgart. Alwin Berger wurde 1916 anlässlich des 25jährigen Regierungsjubiläums des württembergischen Königs zum Königlichen Hofgartendirektor ernannt, er bekam zudem das Wilhelmskreuz für Heimatverdienste während des Ersten Weltkrieges verliehen.
Mit der deutschen Revolution 1918 gab es einen weiteren Einschnitt im Leben Bergers. Er stellte sich der neuen Regierung nach der Auflösung des württembergischen Hofes nicht zur Verfügung. Darauf folgte eine Zeit der Schikane, in der er nach und nach aller Befugnisse beraubt wurde, aber weiterhin mit Unterkunft und Gehalt ausgestattet war.
Aus dieser unfreiwilligen Untätigkeit befreite ihn ein Angebot aus Amerika, das er zunächst gar nicht annehmen wollte. Der namhafte Kakteenforscher Joseph Nelson Rose hatte ihn für die Stelle als Systematischer Botaniker an der New York State Agricultural Experiment Station, einem Forschungskomplex in Geneva, empfohlen. 1923 trat er an Bord der „Reliance“ die Reise nach Amerika an, seine Familie zog später nach. Bis 1926 widmete sich Berger der botanischen Aufarbeitung von Obstgehölzen, die unter anderem im Werk „The Small Fruits of New York“ veröffentlicht wurde.
In Amerika wurde Berger nie wirklich heimisch, weshalb seine Familie 1926 nach Deutschland zurückkehrte. Lediglich der Sohn Fritz Berger blieb und trat in die Fußstapfen seines Vaters. In Cannstatt widmete sich Berger in seinen letzten Jahren der Leitung der Botanischen Abteilung des Naturkundemuseums Stuttgart. In dieser Zeit setzte sich Berger mehrmals und nachdrücklich dafür ein, dass die Wilhelma „in einen volkstümlichen Botanischen Garten“ umgewandelt werden sollte. Doch die Widerstände in der Verwaltung waren zu groß.
Im April 1931 verstarb Alwin Berger an den Folgen einer zu spät entdeckten Blinddarmentzündung. Er hinterließ die beiden gemeinsamen Kinder und seine Frau Elise, die 1944 trotz schwerer Erkrankung als Jüdin ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde und dort in hohem Alter verstarb.
An das tragische Schicksal von Elise Berger wird unter anderem durch einen „Stolperstein“ in der Nähe ihrer letzten Wohnung in Cannstatt erinnert. Darüber hinaus verdanken wir ihr die Berger-Biografie „Lebenserinnerungen“. Mit diesem Buch, welches 1933 als Manuskript fertig war, hat Elise aus den zahlreichen Briefen, Niederschriften und gemeinsamen Erlebnissen ein einmaliges Dokument über das Leben und Werk Alwin Bergers geschaffen.
Er liebte seine Heimat und nutzte so manche Gelegenheit, auf einen kurzen Besuch in Möschlitz zu verweilen. Bei seinen Reisen suchte er auch seine ehemaligen Wirkungsstätten, meist Botanische Gärten auf, um mit seinen Berufskollegen einen freundschaftlichen Kontakt zu pflegen und zugleich fachliche Erkenntnisse auszutauschen. Bergers wissenschaftliche Arbeiten waren in der damaligen Fachwelt führend und sind heute noch teilweise anerkannter Standard.
Eine Zuarbeit des Alwin-Berger-Archivs als Teil des Bürgervereins Möschlitz e.V.
Durch seine günstige Verkehrslage an bedeutenden Handelsstraßen beherbergte Schleiz mehrere berühmte Gäste in seinen Mauern.
1721 wurde Johann Sebastian Bach vom damals regierenden Grafen Reuß zu einem Konzert mit dessen Hofkapelle im Schleizer Schloss eingeladen und wohnte vom 07. bis zum 13. August dieses Jahres im Gasthof " Blauen Engel ", heute Filiale Schleiz der "Commerzbank " am Neumarkt. Dort hielt sich auch zwischen 1785 und 1820 mehrmals Johann Wolfgang von Goethe auf, wenn er auf der Reise in die Böhmischen Badeorte war. Goethe, der Universalist, unternahm um Schleiz geologische und botanische Studien, schimpfte über die schlechten Straßen und lobte in seinen Tagebüchern das gute Essen. Ein weniger gern gesehener Gast weilte in den kriegerischen Oktobertagen 1806 bei uns. Napoleon Bonaparte, der Kaiser der Franzosen, marschierte mit dem mittleren Flügel seiner " Großen Armee " von Saalburg kommend nach Schleiz. Hier traf er auf einen Teil der Streitkräfte seiner verbündeten Gegner Preußen und Sachsen. Mit dem angebrachten Respekt vor der damals als hervorragend geltenden preußischen Armee ließ er deren Nachhut angreifen und es entwickelte sich in der Stadt und auf der Höhe nach Oettersdorf das erste Gefecht in diesem Kriege. Napoleon beobachtete die Kampfhandlungen selbst vom „ Lohmen“ aus und nahm für eine Nacht (vom 10. zum 11. Oktober 1806) Quartier im Schleizer Schloss. Von hier aus zog er über Auma und Gera nach Jena wo es ihm gelang, in der historischen Doppelschlacht von Jena und Auerstedt die preußische und sächsische Armee vernichtend zu schlagen. Sein historischer Gegenspieler, der greise Feldmarschall Blücher, verweilte am 24.Juli 1816 in Schleiz, ebenfalls von den Bädern in Böhmen zurückreisend.